Für die Klimapolitik gilt bis Ende nächster Woche einmal mehr: Nichts ist entschieden, bis alles entschieden ist. Während die Auswirkungen der Klimakrise immer offensichtlicher werden, dürfte die Verhandelnden die Konsensfindung für die politische Abschlussresolution enorm herausfordern.

UN-Klimaverhandlungen können sehr technisch und komplex sein. Im Jahr 7 nach Paris ist die Agenda zudem politisch so aufgeladen wie selten zuvor. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der enorme Verwerfungen in Energie- und Nahrungsmittelfragen zur Folge hat, hat die Handlungskrise auf der UN Klimakonferenz auch im ausgerufenen „Umsetzungsjahr“ 2022 weiter katalysiert: So liegen kaum erhöhte nationale Minderungsverpflichtungen vor und die Vorverhandlungen zur Konferenz in ihren fünf Verhandlungssträngen hatten kaum zu Fortschritten geführt.

Neben verbliebenen offenen Ausgestaltungsfragen zu den Kooperationsinstrumenten von Paris (Art. 6) und weiteren technischen Fragen stehen 2022 gerade Finanzierungsfragen im Zentrum – und das mit aller Vehemenz: Zum einen zeigt sich, dass die Industrieländer ihr kollektives Ziel der Bereitstellung von jährlich 100 Mrd. US-Dollar für die Klimafinanzierung (Minderung und Anpassung) im dritten Jahr in Folge verfehlen werden. Auch offen ist, wann die dabei zugesagte Verdopplung der Gelder für Anpassungsmaßnahmen in diesem Portfolio erreicht werden wird. Und dann stehen bereits Verhandlungen zum erweiterten Finanzrahmen für die Zeit ab 2025 an.

Es werden kurz und knapp zweierlei Dinge klar: Zum einen ist die Welt insgesamt noch weit entfernt von der Finanzierung der notwendigen Transformation im Sinne des Übereinkommens vor Paris. Temperatur- aber auch Resilienzziele bleiben unterfinanziert. Unternehmen, die zum Beispiel im CDP berichten, kennen dies analog aus dem Klimafragebogen: Wie hoch ist der Anteil der Investitionsflüsse, die im Sinne der Transformation „Paris-aligned“ sind? Zusätzlich belastet das finanzielle Umsetzungsdefizit die Verhandlungen. Das gilt umso mehr, als die Entwicklungsländer und der UN-Generalsekretär zusätzlich angemessene Mittelflüsse auch für den Umgang mit unabwendbaren Schäden verlangen. Erst am Sonntag zur Eröffnung und damit sozusagen in letzter Minute kam dieses kontroverse Thema auch mit deutscher Unterstützung doch noch auf die offizielle Agenda.

Beim Blick in die riesigen Konferenzhallen am Rande der Verhandlungen werden aber auch viele ermutigende Entwicklungen sichtbar:

Für Unternehmen besonders relevant sind solche, die auf eine Harmonisierung der ESG Reporting-Standards hindeuten. Integritätsfragen rücken zudem vermehrt in den Fokus, auch dank der Vielzahl an Unternehmen, die sich wissenschaftsbasierte Ziele setzen (sog. SBTs). Das ISSB (International Sustainability Standards Board) hat seine Vorgaben für die klimabezogene Finanzberichterstattung vorgelegt und CDP hat sich bereits dazu erklärt, diese im kommenden Jahr integrieren zu wollen.

Das GRI arbeitet an der weiteren Verbesserung seiner wichtigen Accounting-Standards (GHG Protocol). Für die Klimaneutralitäts-Claims wird die entstehende ISO-Norm 14068 sicherlich bald einen solideren, verbindlichen Rahmen für die Umsetzung und Kommunikation liefern. Dies dürfte auch positiv ausstrahlen auf die Nachfrage im freiwilligen CO2-Markt – neben den Effekten aus weiteren Verbesserungen zu Qualitätsstandards für Projektzertifikate selbst. Dabei spielen künftig sogenannte nature-based solutions eine wachsende Rolle.

Deutschland etwa unterstützt diese Entwicklungen auch durch Forschungsmittel des BMBF. So wird aktuell eine Vielzahl vorhandener terrestrischer und maritimer Optionen zu Carbon Dioxide Removal wissenschaftlich und systematisch untersucht. Dabei werden neben Minderungspotentialen und techno-ökonomischen Aspekten auch weitergehende ökologische und ethische Kriterien ausbuchstabiert. Diese und eine Vielzahl weiterer nationaler und privatwirtschaftlicher Initiativen zeigt die große Lösungsfähigkeit in unseren Gesellschaften: Es gibt technische Wege und Mittel, etwa Biochar, die beschleunigte Verwitterung von Gestein und neue Baumaterialien aus Gestein und Carbonfasern, die Klimakrise kurz- und langfristig ergänzend zur weiterhin vorrangigen Emissionsreduktion auch durch C-Bindung zu bekämpfen.

Wir informieren Sie nach Ende der COP27 in einem ausführlichen Briefing zu allen relevanten Ergebnissen. Wenn Sie Anliegen und Rückfragen zu Verhandlungspunkten auf der COP27 haben, kommen Sie gerne auf uns zu.

Die Einordnung der COP27 wird wie die Entwicklungen in der EU und Deutschland auch Thema unserer FutureCamp Akademie im Januar 2023 sein – hierzu werden wir gesondert informieren. Wir freuen uns auf interessante Vorträge und Diskussionen.

Autor: Daniel Scholz
Tags:  KlimapolitikCOP


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