Grüner Stahl bietet große Chancen für Klima, Gesellschaft und den Industriestandort Deutschland – diese können wir nutzen, wenn grüner Stahl hier produziert wird.

Mit dem neuen Klassifizierungssystem Low Emission Steel Standard (LESS) erarbeitete FutureCamp in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsvereinigung Stahl und der deutschen Stahlindustrie einen detaillierten Vorschlag zur Kennzeichnung von treibhausgasreduzierten Stahlprodukten, um den stufenweisen Transformationsprozess zur Klimaneutralität umsetzen. Der Vorschlag der Wirtschaftsvereinigung Stahl wurde am 22. April bei der Hannover Messe Industrie durch die WV Stahl gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Öffentlichkeit vorgestellt. Er zielt auf die Einführung und Nutzung von Leitmärkten sowie die Markteinführung klimafreundlicher Stahlprodukte ab. Leitmärkte für klimafreundliche Produkte sind ein zentraler Baustein zur Flankierung der Dekarbonisierung der deutschen und europäischen Stahlindustrie. Nur so bleibt eine industrielle Schlüsselindustrie dem Standort Deutschland erhalten.

LESS entwickelt den Ansatz der IEA weiter Der unter den G7-Staaten konsensfähige, sechs-stufige Ansatz der Internationalen Energieagentur (IEA) von Mai 2022, der zwischen emissionsarmem und nahezu emissionsfreiem Stahl unterscheidet, ist ein wesentlicher Bezugspunkt für LESS. Die IEA differenziert das Ambitionsniveau für „Near-Zero Steel“ ausdrücklich anhand des Schrotteinsatzes („Sliding Scale“) mit linearem Verlauf und gibt die Schwellenwerte für eine nahezu emissionsfreie Stahlproduktion normativ auf Basis der politischen Zielvorgabe gemäß dem Übereinkommen von Paris für die betrachteten Prozessstufen vor. Der Einsatz von Stahlschrott wird durch den „Sliding Scale“ berücksichtigt, d. h. die Treibhausgasintensität der produzierten Tonne Stahl wird in allen Produktionsrouten in Relation zum Schrotteinsatz gesetzt und mit Hilfe einer gleitenden Skala berücksichtigt.

Das greift LESS explizit auf und entwickelt diesen Ansatz für eine konkrete Anwendung fort, indem es

  • den Bilanzierungsrahmen auf die Stahlveredelung, das Vergießen und das Warmwalzen erweitert und wesentliche Vorketten einbezieht, um Dekarbonisierungspotenziale nicht nur in der Primärerzeugung, sondern auch der Weiterverarbeitung anzureizen,
  • explizit auf bestehenden (technischen) Regularien in der EU (ETS) aufsetzt und diese im Sinne von existierenden Standards wie ISO-Normen mit präzisen Vorgaben ‒ auch anhand von definierten Referenzanlagen ‒ und konkreten Rechenregeln in einem Regelbuch ergänzt, und
  • mit dem Ausweisen spezifischer Werte pro Produkt durch ein Produktlabel zugleich sicherstellt, dass höhere oder niedrigere spezifische Emissionen, z. B. bestimmter Produkte, nicht weggelassen werden und dem Kunden die Einordnung erleichtert wird. Damit wird Kundenerwartungen entsprochen.



Abbildung_LESS.jpgAbbildung: Vorschlag Klassifizierungssystem Grüner Stahl

Die sechs-stufige LESS-Kennzeichnung bildet so die Transformation der Stahlindustrie zur Klimaneutralität, die sich in Etappen vollzieht, ab. Mit dem Produktlabel und dem Regelbuch sind dies die grundlegenden Elemente für eine robuste Definition von emissionsreduziertem Stahl.

Kernelemente für die Definition LESS und das Produktlabel stellen ein verlässliches, verifizierbares und transparentes Verfahren zur Einordnung und Kennzeichnung der Klimaverträglichkeit von warmgewalztem Stahl dar. Die verschiedenen Produktionsprozesse werden berücksichtigt. Das Produktlabel weist dabei die Treibhausgasintensität der Produkte mit einer leicht verständlichen Kennzeichnung für Kunden aus. Ein Regelbuch beschreibt einen umfassenden und prüffähigen Standard, der eine einheitliche Ermittlung von Emissionen und Einordnung von Stahlprodukten hinsichtlich ihrer Treibhausgasintensität gewährleistet. Die Regeln mit einem sehr hohen Detaillierungsgrad bilden für die Stahlindustrie die Brücke in die Praxis: Das ausführliche Regelbuch inkl. konkreter Berechnungsmodelle enthält Grundregeln für Anpassungen an andere Anlagenkonfigurationen, definiert Produktqualitäten und ist mit Anwendungsbeispielen hinterlegt. Für das Erreichen einer höheren Klassifizierungsstufe sind bei jeder Schrottquote immer Anstrengungen notwendig, zum Beispiel der Einsatz erneuerbarer Energien und bei der Primärroute die Umstellung auf das Direktreduktionsverfahren (ab Stufe C).

Weitere Informationsquellen:

Autor: Stefan WeigertDr. Roland Geres
Tags:  Industrietransformation


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