Die EU-Kommission hat gestern die vorläufige Carbon-Leakage-Liste (CL-Liste) für die vierte Handelsperiode veröffentlicht. Die Liste zählt insbesondere jene 44 Sektoren auf, von denen aufgrund ihrer Emissions- und Handelsintensität angenommen wird, einem erhöhten Abwanderungsrisiko ausgesetzt zu sein, solange der EU-Emissionshandel Kosten für Unternehmen im Zusammenhang mit dem Ausstoß von Treibhausgasen erzeugt, die außerhalb der EU nicht entstehen. Diese Sektoren erhalten eine kostenlose Zuteilung auf Basis der festgelegten Benchmarks.

Die derzeit geltende CL-Liste weist noch 153 Sektoren als CL-gefährdet aus. Eine Schärfung der Carbon-Leakage-Definition mit der Konsequenz einer Kürzung der Liste gefährdeter Sektoren war eines der Ziele der ETS-Reform zur vierten Handelsperiode ab 2021.

Die Kürzung der Liste ist jedoch weniger radikal, als es zunächst erscheint: Es sind im Wesentlichen Sektoren weggefallen, die hinsichtlich der Zuteilungsmengen keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielen, z. B. eine Vielzahl an sehr spezifischen Sektoren aus der Nahrungsmittel-, Textil- und Konsumgüterindustrie. Tatsächlich ist noch nicht klar, ob der Anteil der als CL-gefährdet geltenden Zuteilungsmengen an der gesamten kostenlosen Zuteilung für die Industrie (bislang >95%) durch die Kürzung der Liste überhaupt signifikant sinkt. Während einige Sektoren mit einer gewissen Bedeutung der Zuteilungsmengen den CL-Status verlieren (bspw. 0620 Erdgasförderung, 2211 Reifenherstellung, 2910 Automobilherstellung), kommen andere neu in den Genuss (bspw. 1621 Furnier- und Holzfaserplatten, 2399 Sonstige Erzeugnisse aus nichtmetallischen Mineralien). Auch Industriegase (NACE 2011) bekommen nun als ganzer Sektor den CL-Status und müssen nicht mehr wie bisher über den Umweg der Teilsektoren gehen.

Die gestrige Veröffentlichung der EU Kommission legt außerdem fest, welche Sektoren einen zweiten Anlauf nehmen und ggf. noch über eine qualitative Beurteilung den CL-Status erreichen können. Hierzu zählt vor allem die Ziegelherstellung (NACE 2332). Diese Sektoren haben nun drei Monate Zeit, ihre CL-Gefährdung ausführlich zu begründen und dies der EU Kommission darzulegen. Die bis Ende dieses Jahres fertigzustellende CL-Liste soll bis 2030 gelten. Industriesektoren, die nicht auf dieser Liste stehen, müssen einen Abschlag von 70% auf die mithilfe der Benchmarks berechneten Zuteilungsmengen hinnehmen.

Autor: Felix Nickel
Tags:  EU-Emissionshandel


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